Praxisbeispiel – „The woman behind the man“

Ein IT-Fachmann Mitte 40 kam zu mir mit dem Anliegen eine berufliche Neuorientierung vorzubereiten. Im ausführlichen Erstgespräch erläuterte er, dass er nach langem, finanziell sehr erfolgreichen Auslandsaufenthalt mit seiner Familie nach Deutschland zurückgekehrt war. Hier hatte er sich zunächst eine Auszeit genommen, um ein Haus zu kaufen und zu sanieren. Gegen Ende dieser Maßnahme fing er jetzt an, „unruhig zu werden“, da die Rücklagen aus seinem Auslandaufenthalt nunmehr in einem überschaubaren Zeitraum aufgezehrt seien würden.

Wir begannen daher zunächst mit der Erarbeitung einer Positionierung für den Arbeitsmarkt. Aufgrund der hohen Qualifikation des Klienten war zu erwarten, dass er relativ schnell eine anspruchsvolle Aufgabe mit einem seinen Vorstellungen entsprechenden Gehaltspaket finden würde. Bei einer solchen Positionierung bringe ich – im Sinne einer reinen Beratung – regelmäßig mein Erfahrungswissen aus meiner bis heute andauernden, praktischen Erfahrung im Personalbereich ein.
In der Coach-Funktion konzentriere ich mich u.a. darauf, mit dem Klienten zusammen zu erarbeiten, ob und wie ein angestrebtes Positionsprofil mit seiner Persönlichkeit kongruent ist, insbesondere mit seinen Antreibern und Werten. Ziel der Positionierung auf der persönlichen Ebene ist es, den Klienten in die Lage zu versetzen, Angebote die seinen zwischenmenschlichen, sozialen und ggf. auch ethisch-moralischen Bedürfnissen entsprechen, zu erkennen und auch überzeugt abzulehnen, wenn die Kongruenz nicht gegeben ist – im Sinne einer von vielen Klienten gewünschten längerfristig orientierten Jobfindung.

Der Klient zeigte in diesem Prozess eine für mich zunächst nicht erklärbare Ambiguität: Einerseits konnten wir in nur zwei Sitzungen zügig Ergebnisse hinsichtlich der Beschreibung eines zukünftigen Positionsprofils erzielen und diese dann gemeinsam sichern. Dabei erweckte der Klient den Eindruck, gar nicht erwarten zu können, sich mit der gewonnenen Klarheit über seine Eignungen, Stärken und Präferenzen am Arbeitsmarkt zu präsentieren.

Andererseits kam er bei den darauffolgenden Sitzungen mit Zweifeln beladen zurück und stellte vorher erarbeitete Ergebnisse pauschal in Frage. Eine systematisch-methodisch unterstützte Überprüfung führte jedoch in beiden Fällen zu einer Bestätigung der vorher gesicherten Ergebnisse.
Ich stellte die Transparenz wieder her, in dem ich das von mir wahrgenommene Verhalten des Klienten ansprach. Daraufhin berichtete der Klient, dass er nach beiden Sitzungen eine intensive Auseinandersetzung mit seiner Frau hatte, welche die erarbeiteten beruflichen Ziele grundsätzlich in Frage stellte und ihm darüber hinaus vorwarf, auf ihre Bedürfnisse überhaupt keine Rücksicht zu nehmen.
Ich schlug daher vor, die Ehefrau in den Coachingprozess im Sinne meines „Coaching&Partner“- Ansatzes miteinzubeziehen, was der Klient auch befürwortete. Erfreulicherweise war auch die Ehefrau des Klienten sofort bereit dazu.
Bei der ersten gemeinsamen Sitzung wurde für mich deutlich, dass die Ehefrau des Klienten selbst sehr unsicher schien bezüglich ihrer privaten und beruflichen Ziele. Sie offenbarte einen tiefen Zielkonflikt zwischen einem ausgeprägten Wunsch nach Nähe und Fürsorge durch ihren Mann, sehr hohen materiellen Ansprüchen und einem latenten Wunsch nach einer eigenen beruflichen Tätigkeit.

Wir vereinbarten, dass ich zunächst in einigen Einzelsitzungen mit der Ehefrau des Klienten weiterarbeiten würde. Im Verlauf von wenigen Sitzungen war die Ehefrau mit meiner Unterstützung dann in der Lage, eigene Ziele und Wünsche zu klären. Insbesondere wurde für sie deutlich, dass eine von ihr selbst wahrgenommene tiefe persönliche Unzufriedenheit aus dem bisher nicht auflösbaren Konflikt zwischen ihrem Wunsch nach Aufmerksamkeit und Zuwendung durch ihren Partner und ihren hohen materiellen Ansprüchen entstand: Eine Aufrechterhaltung des aktuellen finanziellen Status war eben nur möglich, wenn ihr Partner wieder eine auch zeitlich anspruchsvolle Tätigkeit aufnimmt und dann für sie weniger verfügbar ist. Sie erkannte in diesem Klärungsprozess, dass sie diesen Zielkonflikt im Wesentlichen nur für sich selbst lösen kann, die emotionale Übertragung ihrer eigenen Unzufriedenheit auf ihren Partner die Jobsuche ihres Mannes erschwert und damit den Konflikt nur noch verschärft.

Nach dieser Klärung auf der Seite des Ehepartners war der Klient nunmehr deutlich entlastet und in der Lage, sein Positionsprofil weiter zu schärfen und zu integrieren. Er bewarb sich danach erfolgreich und arbeitet heute in einer IT-Leitungsfunktion in einem internationalen Konzern. Seine Frau arbeitet mittlerweile ebenfalls als Freiberuflerin für ein Beratungsunternehmen.

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